Podcast #31 – Designed Innovation: Wie die Zukunftswerkstatt funktioniert (de)

Katharina Walckhoff erzählt in dieser Episode von Designed Innovation, wie sie eine Zukunftswerkstatt organisiert.
Katharina Walckhoff erzählt in dieser Episode von Designed Innovation, wie sie eine Zukunftswerkstatt organisiert. - Foto: canva.com/Stroisch

Wie entwirft man eine Vision für die Zukunft? Indem man sie schon heute feiert. Das ist ein Aspekt der Zukunftswerkstatt, wie sie Katharina Walckhoff durchführt. Eine neue Episode meines Podcasts Designed Innovation.

Stroisch Designed Innovation
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Podcast #31 - Designed Innovation: Wie die Zukunftswerkstatt funktioniert (de)
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In der letzten Ausgabe habe ich mal aus dem Blickwinkel einer Nutzerin auf das Konzept der Zukunftswerkstatt geblickt. Heute gibt es nun die Sichtweise von Katharina Walckhoff, die als Trainerin und Coach dieses Konzept anbietet und durchführt.

Zukunftswerkstatt „anno 2039“ – Visionen für die Ernährungslandschaft im Bergischen Land

am 21./22. März im Kloster Ommerborn

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Wie Katharina dabei vorgeht, was die Hintergründe und Historie zu ihrem Konzept sind: Das verrät sie in dieser Ausgabe des Podcasts.

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Transkription (nahe am gesprochenen Wort):

Was die Grundidee der Zukunftswerkstatt ist

Als wir uns 2013/14 mit den sogenannten Freihandelsabkommen beschäftigt haben, habe ich mir die Frage gestellt: Was soll denn da sein, wenn das, was wir nicht wollen, verschwunden ist? Das ist ein typischer Ansatz aus der systemischen und lösungsorientierten Therapie und Coaching-Welt. Ich bediene mich in meinen beruflichen Kontexten gerne der Methode von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg. Die nennen das die Wunderfrage. Und die Wunderfrage hat eigentlich genau dieses Zentrum: Was wird da sein, wenn das, was wir nicht wollen, verschwunden ist?

Und das hat zwei Impacts. Der eine ist, dass es manchmal so ist, dass man erst gar nicht etwas anderes abschaffen muss. Wenn man etwas viel Einleuchtenderes und Sympathischeres dagegenstellt, dann kann es sein, dass die Bewegung der Menschen sowieso in die Richtung geht, wo man selber gerne hin möchte. Und das andere ist, dass, wenn man etwas abschafft, ja nicht sichergestellt ist, dass stattdessen auch was Besseres kommt.

Deshalb habe ich die Wunderfrage von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg kombiniert mit der alten Zukunftswerkstatt-Idee von Robert Jungk, der damit die Atom- und Friedensbewegung sehr inspiriert hat.

Bei der Historie beginne ich mal bei meiner eigenen. Ich bin Anfang der 80er-Jahre Teil der großen Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung geworden und war auch im Bonner Hofgarten als 350.000 Leute Coretta Scott King und Robert Jungk und den jungen Oskar Fischer erlebt haben. Und das hat mich ungeheuer geprägt, wie viele Menschen sich stark gemacht haben für eine friedliche und gewaltfreie Welt. In den ganzen politischen linken Gruppen in den 70er- und 80er-Jahren hat die Methode der Zukunftswerkstatt von Robert Jungk eine wichtige Rolle gespielt. Die war aber auch sehr stark k-Gruppen geprägt, also mit so einem ganz starken und manchmal fast erschlagenden Kritikansatz an der bestehenden politischen Kultur.

Für mich passt das nicht zu einem lösungs- und ressourcenorientierten Ansatz, wo man Menschen einfach dafür gewinnen will, ihr eigenes Potenzial zu entdecken und das Potenzial, was um sie herum ist, sich zusammen zu tun, gemeinsam für eine bessere Welt zu streiten, ohne sich ständig damit zu beschäftigen, was läuft eigentlich falsch?

Nicht, weil das nicht wichtig wäre, sondern weil es Energie frisst, die man braucht, um etwas Neues entstehen zu lassen. Der Fachbegriff dafür ist Emergenz, also die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass einem etwas Neues, Besseres einfällt.

Und deshalb habe ich zwar dieses Konzept der Zukunftswerkstatt genutzt, aber diesen Bereich, in dem es um die Kritik des Bestehenden geht, komplett rausgelassen und stattdessen mit der Wunderfrage von Steve de Shazer gearbeitet.

Die Wunderfrage ist ein Instrument der lösungs- und ressourcenfokussierten systemischen Arbeit und hat fast etwas von einer Trance.

Die Kunst ist, als Anleiterin für so eine Zeitreise eine Jetzt-Erfahrung zu erzeugen, in der derjenige, mit dem man arbeitet oder die Gruppe etwas von den Potenzialen erlebt, die in den vielen Zukünften stecken, die wir haben. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist, dass wir zwar häufig das Gefühl haben, es muss sich alles ändern und es gibt diese vielen Wenden und wir müssen dieses wenden und jenes ändern. Tatsächlich, wenn man sich aber vorstellt, wie sieht es denn aus, wenn es anders ist, bleibt ganz viel gleich. Und dieses, was gleich bleibt, ist etwas, was eigentlich das Fundament ist, aus dem wir die Kraft schöpfen müssen, um das zu ändern, was wir ändern wollen.

Wenn ich mit der Zukunftswerkstatt arbeite, ist ein Modul im Anfangsbereich tatsächlich eine Trance-Induktion, bei der ich die Leute einlade, sich vorzustellen, in der gelingenden Welt wach zu werden, die wir uns zu dem Thema, weshalb die Leute zusammengekommen sind, vorstellen wollen. Das ist wirklich verblüffend, wie viele Menschen dann wirklich überrascht sind, was sich alles gar nicht ändern muss zu dem, wie ihr Alltag sowieso aussieht. Es sind kleine Stellschrauben, an denen gearbeitet werden muss.

Aber es ist unglaublich ermutigend zu sehen: Wir haben eigentlich eine gelingende Gegenwart. Man beginnt bei dem, was sowieso da ist, was sich gar nicht ändern muss. Und entwirft darüber hinaus ein Bild, welches aber dadurch, dass man es nicht nur theoretisch entwirft, sondern wirklich lebt, empfindet. Das ist dann eben die Kunst der Moderation, dass man es schmeckt, spürt. Dass man die Energie erlebt, das Kribbeln in den Füßen und das Lächeln, welches es einem ins Gesicht zaubert, wenn man sich vorstellt: So, so ist es schön.

Welche Bedeutung die vier großen W haben

Und sich erstmal mit den vier großen W bewusst zu werden. Die vier großen W sind wohlwollen, wahrnehmen, wertschätzen und würdigen. Und jeder Transformationsprozess aus meiner Sicht sollte mit einer sehr sorgfältigen Bestandsaufnahme und Implementierung dessen beginnen, was da ist, was vielleicht auch die Vorgängergeneration, egal, ob es ein Unternehmen ist oder ob es eine Familie ist oder ein Verein, eine Initiative, ein Land.

Aber das, was die Basis ist, die es mir ermöglicht, mich irgendwo hin- und aufzustellen, Ressourcen in die Hand zu nehmen und zu sagen: Damit möchte ich jetzt etwas noch Besseres machen. Diese Basis muss erst mal bewusst sein und auch wertgeschätzt und gewürdigt werden. Denn wenn diese Grundhaltung des wohlwollenden Wahrnehmens, Wertschätzens und würdigen, wenn die nicht da ist, wird auch das, was ich neu schaffe, nicht wohlwollend wahrgenommen, gewertschätzt und gewürdigt werden.

Wie Katharina dabei grundsätzlich vorgeht

Jeder Auftrag geht schon ein Flaschenhals voraus. Wenn ich mit einer Non-Profit-Organisation zum Beispiel eine Zukunftswerkstatt mache, dann haben die vorher schon ganz viel gearbeitet, hinter das ich nicht nur nicht zurückzugehen brauche, sondern es auch gar nicht kann, weil es ja deren Projekt ist. Und ich werde dazu geholt, Enzyme und Fermente bereitzustellen, damit ein Prozess beschleunigt oder intensiviert werden kann oder perspektivisch breiter wird, damit die zu neuen Optionen kommen können, die diesen Prozess für sich einkaufen oder einladen.

Im Vorfeld merke ich dann solche Dinge: Ist zum Beispiel jemand da, der macht ganz viel und ab und zu spürt man dann auch so einen Seufzer: Ja, ich mache so viel und irgendwie die anderen nicht so. Und je nachdem, wie die Arbeitsbeziehung zu so einem Menschen ist, kann ich dann den Gedanken anregen, naja, dass es aber ja vielleicht auch so ist, dass die anderen nicht so viel machen, weil man selber immer der Letzte ist, der die Tür zumacht.

Das ist den Leuten oft überhaupt nicht klar, dass Dinge auch nicht stattfinden können.

Und genug kann niemals zu wenig sein. Also lasst uns doch einfach mal gucken, was haben wir denn schon? Und dann diese Erlaubnis mit jemandem zu entwickeln, das muss nicht perfekt sein.

Genug ist genug. Genug kann niemals zu wenig sein. Das ist fast zauberhaft.

Zu erfinden, was gebraucht wird. Und dann bediene ich mich auch der Haltung und der Pfade, die ich in meiner frühen Prägung schon erlebt habe, als ich mit experimentellem Musiktheater, bei dem man mit einem ganz vollen Arbeitsspeicher, in diesem Fall dann ein methodisch gut gefüllter Arbeitsspeicher, in eine Veranstaltung hineingeht und entweder im Vorfeld oder in dem Moment selbst das erfindet, was gebraucht wird.

Das ist für mich eine Meta-Methode.

Welche Methoden Katharina gerne anwendet

Ein methodisches Umfeld, das ich unglaublich reichhaltig finde und bei dem ich mich häufig bediene, ist Dragon Dreaming. Dragon Dreaming ist ein Methodenkoffer, ein ganz umfangreicher Methodenkoffer, der aus meiner Sicht ungefähr jeden Aspekt eines Gruppenprozesses irgendwie berücksichtigt und dafür methodische Module anbietet.

Zum Beispiel das Mia Mia. Wenn man merkt, es wird ein bisschen schwierig. Und das Mia Mia antwortet auf die Frage: Was müssen wir tun, damit du am Ende sagst „Nee, hier kann ich nicht bleiben?“ Dann kommt bei allen Beteiligten ein Bewusstsein in den Raum für ihre eigene Verletzbarkeit. Und weil alle auf diese Frage antworten, entsteht eine neue Facette von Wir-Gefühl, bei der alle viel stärker aufeinander achten, weil man weiß: Okay, wenn ich jetzt zum dritten Mal dieses Wort benutze, bei dem du gesagt hast, das triggert dich, dann kann es sein, dass du rausfliegst. Und dann wird man einfach achtsamer.

Dann sind es natürlich einfach die Klassiker, die schon deswegen einfach gut sind und ich gerne nutze, weil die Leute sie kennen. Wenn man sagt, wir machen ein World Café, dann kann man immer sehen, wie ganz viele Leute sich gerade hinsetzen. Das ist etwas, das kennen sie und da muss man auch nicht viel erklären. Wenn ich dann sage, vielleicht wird auch nur ein Work-Espresso draus, dann müssen sie lachen: Aha, okay, dann machen wir das mal in so einem Speed-Durchgang. Das gefällt dann denjenigen, die das manchmal auch ein bisschen öde finden mit den World Cafés.

Ein anderer Klassiker ist das Barcamp, bei dem man sehr gut mit improvisieren kann. Das hat genügend Form, aber lässt viel Raum.

Das sind so die nicht-exotischen Methoden. Aber ich komme natürlich als systemische Organisationsentwicklerin auch mit ganz anderen Möglichkeiten um die Ecke.

Wenn man an einem Scheideweg steht, bei dem man das Gefühl hat, 49 Prozent sind absolut überzeugt, es muss in die Richtung gehen. Und 51 Prozent sind absolut überzeugt, es muss in die Richtung gehen. Man weiß aber gar nicht genau, wer ist 49 und wer ist 51 Prozent. Dann kann man das Tetralemma machen, bei dem man die drei ausgeblendeten Optionen mit in den Raum holt. Also es ist das einem, nein, es ist das andere. Es gibt immer die theoretische Möglichkeit, es könnte keins von beidem sein – oder beides. Und dann gibt es noch die Weisheit, die Emergenz, also die Möglichkeit, dass das alles das nicht ist und stattdessen ganz etwas anderes.

Was Katharina als Trainerin bewegt

Das, was in der Anfangsphase meiner Moderatorentätigkeit ein absoluter Horror war, das war, wenn Menschen angefangen haben, Co-Referate zu halten.

Und dann bin ich mal gefragt worden, ob ich eine Veranstaltung moderiere mit einer Podiumsdiskussion, mit Landwirten und Verwaltungsmitarbeitenden und politischen Gruppen. Also eine äußerst gemischte und hochspannende Veranstaltung, mitten im Wahlkampf auch noch.

Und dann habe ich mein Handy auf den Tisch gelegt und habe gesagt: Jeder hat eine Minute. Mit so einem ganz zarten Hafengepingel. Das war großartig, weil sofort hat der ganze Raum angefangen, mit Zeitnehmer zu sein. Und es gab keine Co-Referate. Ich mag solche herausfordernden Situationen, bei denen man dann etwas Paradoxes erfindet.

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