Podcast: Wie Innovation im Schreibwarenhandel gelingen kann (de)

Designed Innovation mit einer neuen Episode: Dr. Nils Jeners erzählt, wie Innovation in der Schreibwarenbranche funktionieren kann.
Designed Innovation mit einer neuen Episode: Dr. Nils Jeners erzählt, wie Innovation in der Schreibwarenbranche funktionieren kann. - Foto: Stroisch.eu/canva.com

Episode 24 // Wie kann das Thema Innovation bei Schreibwarenhändlern angegangen werden? Die Branche kämpft ja – wie der Einzelhandel generell – mit vielen Herausforderungen. Nils Jeners ist Innovationscoach und beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema. Er ist Gesprächspartner in dieser neuen Folge des Podcasts “Designed Innovation”.

Stroisch Designed Innovation
Podcast: Wie Innovation im Schreibwarenhandel gelingen kann (de)
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Dr. Nils Jeners arbeitet seit Jahren als Innovationscoach für Unternehmen, versucht hier neue Ideen auf den Weg zu bringen.

Gerade der Schreibwareneinzelhandel meckert viel über die vielen Herausforderungen, etwa durch das Internet, Nachfolgersuche etc. Und viele Händler resignieren hier vielleicht auch. Innovation ist es letztendlich, bei solchen Herausforderungen nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern gezielt neue Ideen zu entwickeln, um sie zu meistern.

Die Branche treibt die Digitalisierung um, das Wegbleiben der Kunden aus dem Geschäft. Einfach auch einen Online-Shop zu machen, ist vielleicht nicht die richtige Lösung, wie Nils Jeners in diesem Podcast schildert. Einfach etwas zu kopieren, ist es vielleicht generell nicht.

Parallel zu diesem Podcast gibt es übrigens Spezialseminare zum Thema Innovation für die Schreibwarenbranche – informiere Dich gerne auch über ein individuelles Coaching.

Wo gibt es Potenziale für Innovation im Schreibwarenbereich?

“Digitalisierung ist nach wie vor immer noch ein großes Ding sowohl im Handel als auch in Produkten, bei Produkten, würde ich tatsächlich dann noch Service-Innovationen dazu sehen. Also rein ein Produkt zu verkaufen, einmal zu verdienen, indem das Produkt geliefert wird – das war gestern. Heute versuchen, auch Produktunternehmen in Abomodelle oder in Subscription-Modelle zu gehen.

Dann müssen sie aber einen zusätzlichen Service anbieten: automatisches Nachliefern von Minen oder Tinten oder ähnliches oder digitale Services. Aber Schrift ist ja nicht nur rein analog oder Schreibwaren sind ja nicht rein analog, sondern es gibt ja eine Verbindung zum Computer, zur digitalen Welt. Wir schreiben täglich E-Mails, nutzen Social Media. Auch darin könnten sich Schreibwarenhersteller ja bewegen.

Also, ich kenne ein Beispiel von Leitz. Leitz stellt Aktenordner her. Die haben auch sehr große Initiativen im Bereich der Digitalisierung von Dokumenten. Und das ist, wenn man das weiterdenkt, schon auch eine natürliche Erweiterung des Geschäftsmodells – und das ist Innovation.

Man muss einfach dem Kunden etwas bieten, was er sonst woanders nicht bekommt. Also, sei es auf der einen Seite ein Einkaufserlebnis, eine besondere Beratung. Man muss den Kunden einfach in seine Welt holen und überlegen, was ist es, was den Kunden hierhin bringt. Ja, klar man könnte jetzt auch einen Online-Shop machen, aber das machen auch alle. Es geht einfach darum, die Kundenbeziehung zu halten und zu pflegen. Und der Punkt, mit dem das startet, ist, den Kunden zu verstehen, welche Bedürfnisse hat der Kunde? Und wie kann ich diese Bedürfnisse stillen?

Und wenn das der Kauf ist, möglichst billig, dann kann ich unter Umständen in diesem Markt auch nicht mehr mitspielen. Aber dann ist es vielleicht nur nur die Beratung, also, auch eine Beratung kann kostenpflichtig sein. Man sieht das ja auch im Finanzbereich. Unabhängige Finanzberater kosten Geld, die verdienen dann nicht an der Vermittlung. Und solche Beispiele gibt es auch im Einzelhandel, wo es tatsächlich in Fußgängerzonen nur noch Showrooms gibt, wo man gar nicht mehr kaufen kann. Der Kauf wird digital abgewickelt oder online abgewickelt. Im Showroom kann man sich die Sachen in einer schönen Umgebung angucken, ausprobieren.

Also man muss ja nicht unbedingt für eine Beratung Geld nehmen, man könnte es ja auch andersrum machen, man könnte einen Gutschein rausgeben, wenn man denn nach der Beratung auch dort kauft oder dieses Geld auch wieder zurückerstatten oder Ähnliches. Das machen andere Industrien ja auch.”

Welche Rolle das Kundenbedürfnis bei Innovation spielt

“Nicht nur Händler kennen ihre Kunden nicht, sondern viele Unternehmen kennen ihre Kunden nicht. Das, was an Kundenwissen da ist, das beruht entweder auf Meinungsforschungsinstituten, die vielleicht gar nicht so spitz forschen, sondern eher in die breite Masse. Und der andere große Teil ist letztendlich Meinungen oder Annahmen, von: Ich glaube, so tickt der Kunde.

Tatsächlich ist es aber relativ einfach, Kunden zu verstehen, man muss nur mit denen sprechen und die richtigen Fragen stellen. Und im Handel ist es relativ einfach, weil die Kundenbeziehungen ja auch sehr persönlich schon sein kann. Wenn ich im Showroom oder im Verkaufsraum bin, kann ich ja auch mal 2, 3 andere Fragen stellen. Das kann ich ja meine Verkäufer instruieren. Das möchte ich von meinen Kunden wissen. Wir kennen alle am Supermarkt, an der Kasse zu stehen und nach der Postleitzahl gefragt zu werden. Das ist ja auch nichts anderes, als: Ich möchte verstehen, wo meine Kunden herkommen. So kann man aber auch verstehen wollen, was sind genau die Bedürfnisse, nach einem Kauf zu fragen? Warum haben Sie genau den gekauft? Das sind Dinge, die man über seine Kunden wissen sollte.

Wenn ich die persönliche Kundenbeziehung habe, ist das relativ einfach. Dann muss ich mir nur ein paar Fragen ausdenken. Wenn ich nur eine digitale Kundenbeziehung habe, weil sie in meinem Onlineshop kaufen, dann kann ich auch eine Umfrage machen. Aber muss ich mir unter Umständen cleverere Dinge ausdenken, wie zum Beispiel Datenerhebung, wie das Verhalten auf meiner Webseite ist, wie häufig werden bestimmte Produkte angeschaut, wie häufig wird irgendetwas konfiguriert etc. Wie häufig wird irgendeine Zahlungsart ausgewählt? Da gibt es ja auch wahnsinnig viele Möglichkeiten.”

Wie helfen Innovationsmethoden beim Überprüfen und Entwickeln eigener Geschäftsmodelle

“Einzelhandel wird es ja immer geben. Nur Einzelhandel der Zukunft wird wahrscheinlich anders aussehen, das heißt, ich kaufe mir jetzt nicht mehr 0-8-15-Kugelschreiber in einem Shop, sondern den bestelle ich mir im Zehnerbundle sowieso online, wahrscheinlich bei Amazon. Aber die die Verschiebung, was dieser stationäre Einzelhandel verkauft, wird wahrscheinlich ins obere Preissegment gehen.

Und wenn ich Blue-Ocean-Strategy nenne, gibt es dieses schöne Beispiel vom Cirque de Soleil. Zirkusse sterben auch aus. Die werden immer weniger und verdienen auch immer weniger Geld. Und das Überleben wird schwer. Und Cirque de Soleil ist halt einen ganz anderen Weg gegangen. Ist auch ein Zirkus. Die haben sich aber bewusst entschieden, Dinge wegzulassen und ein anderes Erlebnis zu erzeugen beim Kunden. Das heißt, sie haben bewusst gesagt, wir machen keine Tiere, weil Tiere kosten Geld und sind eigentlich gar nicht so gewünscht. Es spricht nur Kindern an. Wir wollen aber eine ältere Zielgruppe haben, die bereit ist, mehr zu zahlen. Und deswegen holen wir weltweit tolle Artisten und machen eine Wahnsinnsshow daraus. Und die haben ihre Preise gegenüber anderen Zirkussen deutlich angehoben.

Und ich glaube – dieser Weg ist jetzt eine Annahme, aber das müsste man analysieren – das wird sich im Einzelhandel wahrscheinlich auch abzeichnen. Also, man sieht es ja auch schon bei Autos. Autos kann ich auch online kaufen oder per Ebay gebraucht, ganz schnell.

Aber den Maybach oder den teuren Mercedes, für den werde ich mich immer noch vor Ort beraten lassen bei einer Tasse Kaffee. Und genauso wird es auch Schmuck geben, den ich mir immer anschaue. Wer schon mal bei Tiffany war oder anderen Läden, der merkt, dass das ein bisschen anders ist, als sich irgendeinen Modeschmuck zu kaufen. Und so wird es denke ich auch bei Schreibwaren sein. Also 0-8-15-Stifte werde ich mir online kaufen, die Meine Kinder für die Schule brauchen. Aber wenn ich den einen Stift haben will, wo ich 10 Jahre darauf gespart habe: Wahrscheinlich dann möchte ich mich auch entsprechend bedienen lassen und beraten lassen. Und da gehört wahrscheinlich die Tasse Kaffee oder der Champagner dazu. Zur Beratung. Man muss einfach ganzheitlich überlegen. Es geht nicht nur um das Produkt, sondern ganzheitlich. Was sind die Kundenbedürfnisse, und wie kann ich die stillen?”

Was sind einfache Ansätze, sich mit seinem Business Modell zu beschäftigen?

“Erst mal muss ich verstehen: Was mache ich genau selber? Da würde es sich anbieten, mal ein Business Model Canvas auszufüllen und zu verstehen. Was sind denn die Komponenten, die dann ganzheitlich mein Geschäft ausmachen? Wie mache ich das eigentlich?

Der zweite Schritt wäre, zu schauen: Wie machen das andere – und sich damit zu vergleichen. Das ist dann die sogenannte Blue-Ocean-Strategy. Da gibt es auch diverse Tools für. Zu schauen, in welchen Parametern bin ich denn besser als die anderen? In welchen Parametern bin ich denn schlechter. Und in welchen Parametern lasse ich es bewusst auch sein ,weil ich weiß, da kann ich nichts gewinnen. Und welche Parameter muss ich denn krass übersteuern, damit ich mich von den Wettbewerbern auch absetzen kann.

Und das dritte sind die Kunden. Das ist keine Sequenz, sondern das bedingt sich gegenseitig. Wenn ich verstehe, was die Kunden wollen, auch im Vergleich zum Wettbewerber, auf welchen Kampf in Anführungsstrichen ich mich wahrscheinlich nicht einlassen muss, welchen ich aber auf Teufel komm raus gewinnen muss. Das kann dieses Erlebnis sein. Das kann unter Umständen auch der Preis sein. Wenn ich in diesen Kampf rein will, aber dann weiß ich auch, das geht nur über Masse. Und dann geht es auch über Größe des Unternehmens. Und das ist vielleicht nicht der richtige Weg für kleine Einzelhändler, die keiner Kette angehören.”

Warum Innovation dennoch NICHT funktionieren kann

“Innovation ist halt was Neues machen. Und was Neues ist einfach per se unsicher. Und ich kann nicht vorhersehen, wie das Neue, was ich im Kopf habe, dann in der Realität auch tatsächlich funktioniert. Dafür gibt es halt zu viele Parameter, und es sind fremde Menschen. Kunden sind immer fremde Menschen, deren Verhalten ich nicht vorhersehen kann.

Das Vorgehen, was man dafür dann üblicherweise anwendet, ist, kleine Schritte zu tun, also jetzt komplett die Einrichtung neu zu kaufen und irgendwelche kostenlosen Seminare anzubieten, damit die Leute da hinkommen, würde ich nicht machen, vielleicht nur einmal ein kostenloses Seminar aber so eine Einrichtung kann halt auch sehr teuer werden. Wichtiger ist, einen kleinen Schritt zu machen, und die Dinge in kleinen Rahmen zu testen. Jetzt gestaltet sich das natürlich schwierig bei einer Einrichtung, aber wenn ich ein Verkaufsraum habe, könnte ich ja erst mal eine neue Ecke einrichten. Aber dann müsste ich halt überlegen: Wie messe ich denn den Erfolg von dieser neuen Ecke? Gehen die Leute gezielt dorthin, halten die sich dort länger auf? Das ist auch Aufwand, diesen Erfolg zu messen. Oder könnte ich das vielleicht an Produktverkäufen festmachen? Das heißt, wenn ich etwas anders gestalte, verkaufen sich Produkte aus dieser Ecke, dann überdurchschnittlich im Gegensatz zu einer Vorwoche oder ähnliches? Also, ich muss, wenn ich Maßnahmen vorhabe, muss ich überlegen: Was ist die kleinste Einheit?

Diese Maßnahme zu umzusetzen, würde ich jetzt gar nicht sagen, sondern eher zu testen. Was müsste ich machen, um dies zu testen? Und wie messe ich deren Erfolg, um nicht zu viel Geld in Dinge zu stecken, die dann am Ende gegebenenfalls keinen Erfolg haben.

Da sollte meine Meinung nicht zählen. Also, das müssen ganz klare Parameter sein, wie Verkäufe, dann müsste ich auch erst mal einen Status quo erheben, wie sich das verkauft, es könnte auch eine Zeit sein, wie lange befinden, sich die Leute da und das muss ich dann auch konsequent messen und vergleichen. Also, ich muss in irgendeiner weise dann vorher nachher oder A, B, Test machen, um zu sagen: ja, das ist es. Oder nein, das war es nicht.

Es gibt immer eine Varianz der Wahrheit, und ich rede eigentlich lieber davon: Wir wollen Signale messen. Weihnachtsgeschäft? Fußball-WM, Wetter – so etwas kann immer vorkommen. Und das versuche ich nach Möglichkeit zu eliminieren. Es macht beispielsweise keinen Sinn, eine Ecke einen Tag zu testen. Eine Ecke teste ich am Samstag und die andere teste ich am Donnerstag und sage: Na ja, die Samstagsecke war irgendwie besser.

Man muss einen Zeitraum auch wählen, der, wenn nicht neutral, sondern aber wenigstens vergleichbar zu einem anderen Zeitraum ist. Und da bietet sich so eine ganze Woche meistens an, wenn nicht sogar parallel, zeitgleich, wenn man ein 2 Ladengeschäfte hat, kann man auch A, B/B, A machen. Ja solche Sachen kann man auch machen, um lokale Unterschiede dann vielleicht zu vermeiden. Aber dessen muss man sich immer bewusst sein, dass jede Zahl, die ich messe, in irgendeiner Weise auch verfälscht sein kann – und das ist nicht immer so offensichtlich wie der Wochentag. Oder es hat geregnet.”

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