#5 – User Centricity: Den Nutzer ins Zentrum stellen

In Session 5 des Product-Owner-Bootcamps ging es um das Thema User Centricity.
In Session 5 des Product-Owner-Bootcamps ging es um das Thema User Centricity. - Foto: canva.com/stroisch.eu

User Centricity ist der Titel des Moduls bei der Digitale-Leute-School. Im Rahmen der Ausbildung zum Product Owner hat Jan Milz die Inhalte gestaltet. Thema dabei auch: Jobs-to-be-Done.

Auftakt: Dies ist ein Blog-Beitrag zum Modul “Product Strategy & Discovery” des Bootcamps Product Owner der Digitale Leute School. Am Montag, 2. Oktober 2023, beschrieb dabei Jan Milz das Thema User Centricity. Leider konnte ich daran nicht persönlich teilnehmen, weshalb dieser Blogartikel auf Grundlage der Videoaufzeichnung erstellt wurde. Mein Anspruch ist es hier NICHT, allumfassend zu berichten, sondern ich möchte ein paar Impulse weitergeben, die mich selbst bewegt haben. Auch an dieser Session konnte ich wegen eines Urlaubs nicht persönlich teilnehmen; der Blog basiert auf einem Videomitschnitt.

Was ist User Centricity?

“Die Kundensicht geht im Produktmanagement oft verloren.”

(Jan Milz)

Das Produktmanagement positioniert sich an der Schnittstelle von Technologie, Kunden/Anwendern und Business (zum Beispiel hier dargestellt). Jans These ist hier, dass aber die Kundensicht oftmals vernachlässigt wird. Und er manifestiert das in einem Zitat von Peter Drucker:

“Der Kunde kauft nur selten das, was die Wirtschaft denkt, was sie ihm verkauft.”

Weniger amerikanisch könnte man auch einfach sagen: Der Kunde ist König!

Während das Angebot und somit die Unternehmensseite sehr outputorientiert ist (How? What? How much?) ist die Nachfrage und somit der Kunde aber eher outcomeorientiert (Why? Who? When? Where?). Daraus entsteht eine Mauer, “über welche das Unternehmen seine Produkte rüberkippt” und der Mythos, dass das Angebot die Nachfrage bestimme – eine Wirtschaftstheorie, die in dem Satz “Supply creates its own demand” 1936 in den Say’s Gesetzen formuliert wurde.

Dies sei ein häufiges Unternehmermotto, so Jan. Für mich stellt sich die Frage, ob das tatsächlich so ist. Aber ein interessanter Impuls ist das allemal: Nach meinem Empfinden ist ein solches Motto zumindest immer mit einem gewissen Unbehagen verbunden. Und vielleicht geht es auch mit einer unheilvollen Übersteigerung der Wirkung von Marketing einher? Wenn das Produkt seine Nachfrage finden wird, dann wird dazu eben (mehr) Marketing genutzt. Nur so als Gedanke…

“Niemand zahlt für ein Produkt, sondern für die Befriedigung eines Bedürfnisses.”

(Peter Drucker)

Im Gegenteil erzeugen also Bedürfnisse die Produkte, “Demands creates Supply”. Die These: Das Who, When, Where und Why sind entscheidend bei der Produktentwicklung. Und: Mehrwert entsteht erst durch einen konkreten Kontext.

Das Konzept der Struggling Moments

Es gibt ja eine Reihe von Ideen, wie man Kundenaktionen analysiert, etwa über eine Customer Journey oder auch durch Googles Micro Moments. Auch Pain/Gain-Analysen gehen in die gleiche Richtung. Jan stellt im Seminar nun das Konzept der Struggling Moments – “Anstrengende Momente” vor.

Die dahinterliegende These ist, dass es ohne Struggle kein Produkt und auch keine Kaufentscheidung gibt. Das Ziel ist es immer, dieses Struggle zu lösen, das Ziel eines Produkts. Und damit sind auch die Struggling Moments ein Gegenkonzept zu einer rein soziodemografischen Betrachtung der Kunden.

Letztendlich ist es das Ziel vieler Methoden und Tools rund um Design Thinking: Wegzukommen von Daten und Fakten wie Alter, Geschlecht, Einkommen und hin zu den Bedürfnissen, den Ängsten und Wünschen der Kunden und Nutzer. Jan findet die Struggling Moments insofern reizvoll, weil sie gleich auch eine zeitliche Verordnung inkludieren. Er findet, dass sie spezifischer und empathischer als zum Beispiel Pain Points sind. Das sehe ich ein Stück weit anders: Es kommt doch sehr darauf an, wie spezifisch und empathisch man sie einfängt, da ist es relativ egal, ob man das unter dem Konzept von Pain Points oder Struggles macht.

Jedenfalls: Kommt es zu einer Struggle, setzt das womöglich etwas in Gang, um dieses Problem zu lösen. Die These: Die Idee dafür kommt vom Kunden. Und es gibt nie nur einen Weg, das gleiche Problem zu lösen.

Die Konsequenz für die Produktentwicklung ist: Die Konkurrenz zum eigenen Produkt kommt nie aus der gleichen Kategorie, sondern ergibt sich aus dem Kontext. Beispiel: Um einen Energieboost für ein anstrengendes Meeting zu erhalten konkurriert Snickers zum Beispiel mit einem Apfel, einem Kaffee oder einem Energiedrink. Nicht aber unbedingt mit Milkey Way.

Und noch eine Aussage, die ich sehr inspirierend finde: Es gibt Produkte, die einfach keiner mag. Jan nennt als Beispiel den Immobilienkredit, man könnte auch Versicherungen im Allgemeinen nennen. Entsprechend freut sich also auch niemand, wenn er dieses Produkt erhält. Außerdem – und hier weicht die Bank von der Perspektive ihres Kreditnehmers ab – ist der Kredit nur ein kleines Puzzlestück in einer viel umfassenderen Gesamtstory. Ich stelle es selbst immer wieder fest: Banken sind gut darin, ihre Produkte zu erläutern, ordnen sie manchmal auch in eine Art Lebenskonzept ein. Es geht hier durch und durch um die den Ansatz Supply creates demands Aber sie sind oft schlecht darin, die zugrundeliegenden Bedürfnisse ihrer Kunden zu begreifen und diese im Beratergespräch zu adressieren.

Insgesamt finde ich die Struggling Moments als Konzept inspirierend.

Die Jobs-to-be-Done-Methode

Auch einen interessanten Blick bietet Jan auf die Jobs-to-be-Done-Methode. Ich selbst habe sie ja in meiner Master Thesis ebenfalls als eine von vielen Methoden im Rahmen eines Kreativprozesses beschrieben, hier konkret an der Schnittstelle zwischen Problem- und Lösungsraum. Insofern ist es sicherlich eher eine Adaption und nicht das Original. Ich habe sie zudem mit einem eigenen Business Canvas “verheiratet”. Und bei mir findet sie eben sehr viel Anwendung im Ideenfindungsprozess, bei Design Thinking.

Jan hat hier den Blick des Produktmanagers und das finde ich sehr inspirierend.

“Jobs-to-be-Done ist ein Framework für Kundenzentrierung mit dem Ansatz: Alle Produkte bewerben sich um einen Job, den der Kunde erledigen möchte.”

(Zusammengefasste Definition)

Jan empfiehlt hier als Referenzquellen Bob Moesta und Clayton Christensen, andere nicht so sehr. Zentral: Das Wie ist hierbei vielfältig und offen, das Produkt im Prinzip austauschbar. “Den Kundennutzen kann man nur herausfinden, indem man qualitative Forschung betreibt”, so Jan. Ja, das sehe ich exakt genauso! Quantitative Forschung bringt einem dabei gar nichts.

Interessant auch noch, wie Jan die Methode weiter ausdifferenziert:+

  • Jobs-to-Be-Done-Events: Das schließt sehr stark an die Struggling Moments an, es gibt eine Art Timeline
  • Customer Force-Modell. Es gibt Kräfte, die einer Kaufentscheidung entgegenwirken (Gewohnheiten, kritische Fragestellungen an die Lösung) und die sie fördern (Push-Faktoren, Magnetismus).
  • Jobs-to-Be-Done-Energien: Es gibt drei Nutzungsebenen, nämlich den funktionalen, emotionalen und sozialen Nutzen eines Produkts.

Während ich das Customer-Force-Modell doch recht abstrakt finde und tatsächlich auch nicht umfassend genug (es gibt hier wesentlich stärker ausdifferenzierte Modelle), nutze ich die Jobs-to-Be-Done-Energien auch sehr gerne – und sie spielen untere anderen Namen auch in anderen Projektmanagementmodellen eine Rolle. Die Struggling Moments, wie gesagt, finde ich sehr inspirierend.

Um nun die Jobs-to-be-Done zu erfassen, schlägt Jan ein linguistisches Schema vor:

“Wenn ich [Kontext] und [Struggle]. Hilf mir [Fortschritt Wunsch]. Damit ich [Outcome].”

Finde ich eher so abstrakt schwierig in der Anwendung, aber im Seminar wurde dazu dann gleich eine Übung gemacht.

Tatsächlich habe ich in meinen eigenen Modellen eben das Jobs-to-be-Done-Statement zu einem Problem-Lösungs-Statement am Schnittpunkt zwischen dem Problem- und Lösungsraum umfunktioniert und finde dass es auch dort sehr gut funktioniert.

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