Auftakt: Dies ist ein Blog-Beitrag zum Modul “Product Strategy & Discovery” des Bootcamp Product Owner der Digitale Leute School. Am Donnerstag, 21. September 2023, hatten wir dazu das Kick-Off-Treffen. Referentin war Sandra Hinz. Mein Anspruch ist es hier NICHT, allumfassend zu berichten, sondern ich möchte ein paar Impulse weitergeben, die mich selbst bewegt haben.
Die ersten Hausaufgaben beim Product-Owner-Bootcamp…
Es ist ja klar: Die nächsten drei Monate werden sehr intensiv. Jede Menge Materialien werden bearbeitet. Und auch nach dem Auftakt gab es bereits drei Materialien im Google Classroom. Materialien sind – anders als die Aufgaben – zur eigenen, tieferen Beschäftigung mit den Themen gedacht. Aber ich betrachte sie mal vorsichtshalber als Hausaufgaben, denn Schaden kann es sicherlich nicht, da mal tiefer einzusteigen 😉 Hier meine ganz subjektive Bearbeitung dieser Materialien:
Delegation Poker & Delegation Board: Der kurze englischsprachige Text führt das Delegation Poker & Delegation Board ein, mit dem abgetestet werden kann, inwiefern das Delegieren von Aufgaben sich sinnstiftend im Team umsetzen lässt. Denn in der Tat, wie es Jürgen in dem Youtube-Video sagt: Das ist gar nicht so leicht. “Delegieren” ist einfach was sehr Abstraktes; selbst organisierte Teams wollen gerne alles selbst entscheiden und machen – wirklich? Jürgen spricht von unsichtbare Grenzen – quasi Elektrozäune – an die Mitarbeitende stoßen, wenn sie entscheiden und dann feststellen, dass sie das gar nicht durften. Sie weichen wie vom Stromschlag geschlagen zurück. Das riskieren sie vielleicht zwei bis drei Mal und danach entscheiden sie gar nichts mehr. Umgekehrt kann es auch sein, dass ein Manager einem selbst organisierten Team alle Freiheit gibt, Dinge selbst zu entscheiden, dort aber die Arbeit stagniert – weil die Mitarbeiter das gar nicht wollen oder können. Das ist ein Dilemma. Das Schöne: Auf der Website lassen sich gleich die Delegation-Poker-Karten herunterladen und ausdrucken und damit herumexperimentieren. Sie helfen vor allem bei der Reflexion, aber auch, wenn man sie streng anwendet, bei der Entscheidung darüber, wie Delegation am Ende organisiert werden soll. Ein sehr inspirierender Text, schaut Euch auf jeden Fall auch das Youtube-Video dort an. Als Praxisbeispiel: Zunächst werden die Bereiche erfasst, an denen gearbeitet werden soll, beispielsweise das Thema Homeoffice, Praktikantenauswahl, Eskalation bei wichtigen Projekten – alle Teilnehmer:innen der Gruppe haben dann dazu einen Punkt vergeben, so dass dadurch entschieden wurde, über welche Themen prioritär diskutiert werden sollte. Im Anschluss wurde in kleineren Gruppen bewertet, wie das Delegationslevel heute ist und wie es in Zukunft sein sollte. Ausgewählt werden dabei die Level, die am meisten Punkte erhalten. Am Ende hat Burkhard dann zum Beispiel eine Lösung für das Thema HomeOffice erarbeitet, bei der er bewusst Grenzen setzt, aber auch Freiheiten gibt, so dass sich alle Mitarbeiter gut orientieren können. In diesem Fall darf jeder Mitarbeiter jede Woche einen Tag im Homeoffice verbringen und muss Burkhard darüber nur noch informieren, aber ihn nicht um Erlaubnis fragen.
Product Ownership Evolution Model (POEM): Im Seminar wurde es bereits angerissen, als Vertiefung wird dann ein Podcast von “Die Produktwerker” angeboten: In Folge 103 wird dort das Product Ownership Evolution Model (POEM) zusammen mit Tim Klein erörtert. Die Rolle des Product Owner ist oftmals nicht genügend geklärt, erzählt Tim im Podcast. Und das führe zu Konflikten und Enttäuschung. Deshalb hat er das Tool/Modell POEM – “einen Anlass zum Gespräch” – entwickelt. Von der Vision bis hin zum Coden wirkt sich alles auf das Produkt aus; daran hat Tim 8 Level definiert. Irgendwo dort ordnen sich Product Owner in einer Ist-Situation und einer Ziel-Situation ein, damit darüber eine Reflexion angestoßen wird. Damit der Product Owner sich mehr um strategische Dinge übernehmen kann, muss das Entwicklungsteam mehr Verantwortung übernehmen. Wenn man das dann nebeneinander hängt, “ist das ein ganz magischer Moment”, weil erstmals über den Punkt Entscheidungsverantwortung gesprochen wird. Nach dieser Einordnung und Diskussion bietet sich dann eine Delegation Poker an. Tim meint ja, dass das Selbstverständnis eines Product Owner nur sehr schwach ausgeprägt ist, plädiert hier auch dafür, den Kontext zu berücksichtigen. Aber in der Praxis ergeben sich verschiedene Fallstellungen: Manchmal gibt es vielmehr als drei Rollen im Team, ist das sinnvoll? Manchmal gibt es auch noch eine Art Proxy Product Owner. Aber wird nicht der Kontext irgendwann zum Problem und der Product Owner zur Farce, wenn das alles zu beliebig ist und eine reine, hippe Umbenennung einsetzt. Wenn nämlich zum Beispiel plötzlich der Personalratsvorsitzende zum Product Owner Labor wird oder der Projekt”manager” an der Schnittstelle zwischen Abteilung und Programmierung – der auch vorher eigentlich nicht viel mehr war, als eine Art Schmierseife, auf der sich andere ihre Schuhe sauber gemacht haben – sich nun hip Product Owner nennen darf. Wird damit nicht auch irgendwann zumindest in solchen Unternehmen das ganze agile System verbrannt? Tim rät dazu, sich nicht nur auf das Backlog-Management zu stürzen, sondern auch stark mit dem Nutzer zu kommunizieren.
Neurowissenschaften in der Produktentwicklung: Eine weitere Empfehlung ist ein Podcast mit Anne Tempelmeier, UX-Designerin bei Hubspot, über den Einsatz von Neurowissenschaften in der Produktentwicklung. Sie beschreibt darin, wie sich neurowissenschaftliche Forschung auch im Design widerspiegelt, zum Beispiel, wie ein blinkendes Zeichen nach einem erfolgreich Formular zu einem Glücksgefühl führt. Es gibt eine riesige Überlappung zwischen den Neurowissenschaften und dem UX-Design, beschreibt Anne in dem Podcast.
Ich habe von Vortrag von Anne auf dem Digitale Leute Summit 2022 in einem Artikel für Digitale Leute zusammengefasst, mich also intensiv mit dem Sign-In-Prozess und ihrer Vorgehensweise damit beschäftigt. Ich finde es sehr inspirierend, wie sie – völlig zu Recht – eine emotionalere Ansprache in den Anmeldeprozess integriert. Insofern finde ich auch die Maslowsche Bedürfnispyramide bzw. deren Adaption nach Walter ein gutes “mental model”. Allerdings darf man dieses Modell nicht damit überfordern, dass man es als eine echte Abbildung der Realität versteht. Es ist empirisch nämlich nicht belegbar. Aber als ein Denkmodell, welches gekonnt eingesetzt die inspirierende Leitlinie für eine Umgestaltung ist, ist es gut geeignet.
Die Inhalte des Moduls Product Strategy & Discovery
Natürlich waren die Hausaufgaben auch eine gute Vorbereitung auf das Kick-Off zu dem Modul im Bootcamp. Sandra Hinz beschreibt zum Beispiel die Rollen von Product Owner (PO) und Product Manager (PM) so:
- Product Owner: Es ist eine Rolle im Scrum-Prozess und sehr auf die Auslieferung fokussiert. Er ist sehr umsetzungsorientiert.
- Produktmanager: In dieser Rolle ist man für die gesamte Lebensdauer eines Produktes verantwortlich. Er ist vielleicht auch eher strategieorientiert.
Aus dieser Warte heraus, sollten PO und PM die gleiche Person sein. Ziele und Fokus ändern sich im Verlauf des Produktlebenszyklus und damit auch seine Rolle. Also eigentlich sei der PO/PM eine “eierlegende Wollmilchsau”.
“Ich möchte meine Entwickler auf keinen Fall in eine Situation bringen, in der sie keine Ahnung vom Business haben.”
Sandra Hinz
Ein wichtiges Konzept ist das der Vision und Mission; viele große und bekannte Webtechunternehmen nennen diese auf ihrer Website. Bei der Vision geht es um die langfristige Ziele und die Zukunft. Bei der der Mission um das Hier und Jetzt und die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns. Also: Was habe ich erreicht, wenn ich die Welt verändert habe? und Wie setze ich es um?
Als Beispiel haben wir in Kleingruppen die Vision und Mission für einen Öko-Lebensmittel-E-Commerce-Shop entwickelt:
- Vision: “Immer lokal die besten ökologischen Lebensmitteln liefern.”
- Mission: “Unsere Kunden mit frischen, ökologischen Lebensmitteln zu versorgen, die lokal hergestellt wurden.”
Interessante Diskussion dabei: Muss die Vision catchy sein, oder darf sie auch neutral-sachlicher sein. Vielleicht hängt es von kulturellen Aspekten ab, vielleicht auch davon, welche Arbeitnehmer ich wirklich ansprechen will?
Buchtipp: Marty Cagan: “Inspired”
Eine absolute Empfehlung für alle Product Owner.
Auch die Strategie, dieses Buzzwort, welches bei vielen Ängste hervorruft, vielleicht von irgendwelchen externen Consultants in Hinterzimmertreffen definiert wird und dann irgendwie kontaktlos durchs Unternehmen wabert, ist wichtig.
“Den Weg, den man gehen will, um seine Vision/seine Ziele zu erreichen.”
Definition von Strategie
So definiert Sandra Hinz für sich Strategie. Und: “Strategische Entscheidung sind wie eine Wette.”
Sie sollten flexibel bleiben, worst-/best-case-Szenarien berücksichtigen. Und die Folge-Gruppenübung hat auch gleich gezeigt: Selbst, wenn man den Auftrag hat, eine digitalisierte Internationalisierungsstrategie zu entwickeln, diskutiert die Gruppe sofort über alle angrenzenden Bereiche. Eine interessante Fragestellung: Wie können Product Owner diese Strategiediskussionen aus den Consultant-Hinterzimmertreffen in ihr Produktumfeld transferieren? – Vielleicht eine der entscheidenden Fragen?
Wir haben noch Zielsetzungsframeworks kurz angesprochen und Roadmaps als hilfreiches Tool.
Ein Inspirationstrigger: eine “Roadmap-Kritik”; einfach mal verschiedene Roadmaps und Templates nehmen und sie gemeinsam in einem Workshop bearbeiten, denn die perfekte Roadmap gibt es nicht, sie muss immer adaptiert werden, rät Sandra Hinz.
Abschließender Hinweis: Immer ist es eine sehr subjektive Zusammenfassung, die ich hier verfasse. Siehst Du Dinge anders, möchtest darüber diskutieren – melde Dich gerne bei mir!